Die DĂ€mmerung setzt bereits ein, als Tommy und du bei deiner Wohnung ankommen und du die TĂŒr öffnest. Du gehst in den Flur, ziehst die Schuhe aus und setzt dich im Wohnzimmer auf das Sofa.
âFang!â Eine Flasche fliegt durch die Luft direkt in deine HĂ€nde. Beim Ăffnen entweicht ein lautes Zischen. âWas fĂŒr ein Tag. Jetzt erstmal entspannen.â Tommy lĂ€sst sich neben dir auf das Sofa fallen. Diesen Worten kannst du mehr als nur zustimmen. Du nimmst deine Flasche und stöĂt mit Tommy an. WĂ€hrend Du Dir einen Schluck gönnst und das Prickeln auf deiner Zunge genieĂt, klingelt es. Durch den TĂŒrspion siehst du schemenhafte Bewegungen und das Tanzen blauer Lichter.Â
Wie damals an deinem 18. Geburtstag: Unaufhörlich prasselt dir der Regen ins Gesicht. Du ziehst deine Kapuze weiter ĂŒber deinen Kopf, aber es hilft nicht wirklich. Du bist mit Tommy und deinem Vater unterwegs. Zuvor wart ihr noch ein paar Snacks und GetrĂ€nke einkaufen, damit ihr anschlieĂend den Abend mit der Familie feiern könnt. Ihr seid auf dem RĂŒckweg und lauft durch die Gassen. Du gehst dicht neben deinem Vater und suchst Unterschlupf unter dem Regenschirm in seinem Arm. âVerdammt, hab ich doch fast das Wichtigste vergessen. Wie sollen wir feiern, ohne etwas zu trinken? Halt mal kurz, ich bin gleich wieder da.â
Dein Vater gibt dir seinen Schirm und den Beutel mit den Snacks. Er lĂ€uft in den Regen und verschwindet um die nĂ€chste Ecke. Hoffentlich wird mein kleiner Bruder heute mal ausnahmsweise keinen Mist bauen. Bitte nur einmal. Die letzten Jahre hat sich Marc immer daneben benommen. Bitte heute nicht. Es ist schlieĂlich mein 18. Geburtstag.
Du wirst aus deinen Gedanken gerissen. Es ertönt ein Schrei aus der NebenstraĂe. Aber nicht nur irgendein Schrei. Du weiĂt: Diese Stimme gehört deinem Vater. Dies lĂ€sst dir einen Schauer ĂŒber den RĂŒcken fahren. Du lĂ€ufst los. Als du um die Ecke biegst, siehst du deinen Vater blutend am Boden liegen und nach Luft ringen. Aus dem Augenwinkel siehst du den Schatten eines Mannes aus der Gasse humpeln, doch dafĂŒr hast du gerade keinen Kopf. Du probierst, Hilfe zu rufen, doch deine Kehle ist wie zugeschnĂŒrt. Soweit es geht, hĂ€ltst du die Wunde an der Brust deines Vaters und schaust Tommy hilfesuchend in die Augen. âKeine Sorge, ich hole Hilfe. Wir schaffen das.â
Tommy springt auf und lÀuft los. Seine Rufe schallen durch die Luft. Du wendest dich deinem Vater zu. Seine rechte Hand klammert sich an seine Jackentasche. Die Tasche ist jedoch leer. Irgendetwas scheint dort gewesen zu sein, doch was nur?
Der Krankenwagen war schnell vor Ort. Ihr werdet ins Krankenhaus gefahren. Mit seiner letzten Kraft drĂŒckt dein Vater deine Hand: âEs tut mir so Leid, dass dein Geburtstag nicht so lĂ€uft wie geplant. Du und dein Bruder seid und werdet immer das Wichtigste fĂŒr mich sein. Pass gut auf ihn auf und mach nicht die gleichen Fehler wie ich. â
Die Kraft in der Hand deines Vaters lĂ€sst nach. Der Krankenwagen kommt zum Stehen und die TĂŒren werden geöffnet. Zwei SanitĂ€ter betreten den Wagen und tragen deinen Vater hinaus. Zwei Polizisten nĂ€hern sich den WagentĂŒren. Tommy schaut dir in die Augen. âLass mich das regeln. Atme erstmal durch.â
Tommy geht mit den Polizisten davon. Deine Sicht beginnt zu verschwimmen und du ringst nach Atem. Das Einzige, was du wahrnimmst, ist das Tanzen der Rettungslichter in deinen TrĂ€nen und der Druck auf deiner BrustâŠ
Du spĂŒrst eine Hand auf deiner Schulter. âAlles in Ordnung bei dir? Du bist ja kreidebleich.â Du nickst Tommy zu und gehst zur TĂŒr.
Vor dir stehen zwei Polizisten in Uniform. Zwischen ihnen ist Marc zu sehen. âGuten Abend, die Herren. Wir wĂŒrden gerne den Erziehungsberechtigten dieses jungen Mannes sprechen. Ist es einer von Ihnen?â Der eine Polizist schaut euch fragend an. Du hebst deinen Arm. Der zweite Polizist wendet sich dir zu und beginnt mit ernstem Ton zu sprechen. âWir haben diesen Jungen erwischt, als er mit einer Gruppe Jugendlicher einen Abwasserschacht aufgehebelt hat und sich illegal Zugang zur Kanalisation verschafft hat. Da es sein erstes gröĂeres Vergehen ist, werden wir bis auf weiteres von einer Strafe absehen. Aber sie stellen sicher, dass der Junge nicht wieder solch einen Unfug treibt.â Er wendet sich Marc zu. âNĂ€chstes Mal wird es nicht mehr bei einer einfachen Verwarnung bleiben. Unbefugtes Betreten der Kanalisation ist eine Straftat. Hoffentlich mĂŒssen wir uns nicht wiedersehen.â Danach dreht er sich um und stampft die Treppe herunter. Der andere Polizist zwinkert Marc kurz zu und folgt seinem Kollegen. Du umarmst Marc. Er betritt die Wohnung und du schlieĂt die TĂŒr. âEs tut mir wahnsinnig leid, wenn ich dir Ărger verursacht habe. Wir haben nichts verbrochen. Das war nur eine kleine Erkundungstour. Es wurde nicht einmal irgendetwas kaputt gemacht. Aber hör mir zu: Es war einfach unglaublich, das hĂ€ttest du sehen mĂŒssen! Die Kanalisation ist wie ein riesiges Netz aus GĂ€ngen und dort unten gibt es alles Mögliche. Keine Angst, nĂ€chstes Mal lasse ich mich nicht erwischen!â
Marc geht auf sein Zimmer. Tommy gibt dir einen kleinen Schlag auf die Schulter. âIst wirklich alles in Ordnung bei dir?“ Du versicherst Tommy, dass er sich keine Sorgen machen muss. Dieser scheint sichtlich erleichtert. âEs wird Zeit, dass wir uns schlafen legen. Morgen wird ein groĂer Tag.â
Tommy lÀsst sich auf dem Sofa nieder und du legst dich in dein Bett
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